Der Vortrag von Frau Nadja Tahmassebi, Leitende Psychologin in der SALUS Klinik in Friedrichsdorf am 23. August 2017 zum Thema Kaufsucht war ein voller Erfolg! Nachfolgend lesen Sie den Pressebericht von Rebecca Sawicky. Wir danken dem Odenwälder Echo für die freundliche Veröffentlichungsgenehmigung.
ERBACH. Das pathologische Kaufen, umgangssprachlich »Kaufsucht« genannt, ist im Gegensatz zur Drogenabhängigkeit keine anerkannte Sucht. Dies macht das Problem freilich nicht kleiner, wie das Interesse am jüngsten Beitrag des Rotkreuz-Kreisverbands zum Umgang mit diesem Phänomen belegte. Die Hilfsorganisation hat sich im Odenwaldkreis dem Kampf gegen fast alle Formen der Sucht verschrieben und erlebt dabei auch die Bedrängnisse, die aus Kaufrausch-Zuständen entstehen.
Neben interessierten Bürgern nutzte es auch ein Fernsehteam des ZDF, dass als Ergebnis dieser Arbeit nun Diplom-Psychologin Nadja Tahmassebi als ausgewiesene Kennerin in Erbach referierte. Die Fachfrau arbeitet schon viele Jahre in der Salus-Klink Friedrichsdorf und beschäftigt sich mit stoffungebundenen Süchten. Die bekannteste davon ist das Glücksspiel. Das Rote Kreuz hatte sie für einen Auftritt in Erbach gewonnen, um auf die Nöte Kaufsüchtiger aufmerksam zu machen und diese zu ermutigen, Hilfe zu suchen.
»Wenn es viele Kaufmöglichkeiten gibt, ist es normal, dass Menschen anfangen, mehr zu kaufen«
Schätzungen zufolge sind fünf bis acht Prozent der Bevölkerung vom zwanghaften Kaufen betroffen, wobei sich der Anteil der pathologischen Käufer durch die sich ändernden Konsummöglichkeiten vergrößert hat. »Wenn es viele Kaufmöglichkeiten gibt, ist es normal, dass Menschen anfangen, mehr zu kaufen«, erklärte Tahmassebi. »Kaufsüchtige kaufen aus einem Gefühl heraus, ohne dass sie die Ware langfristig gebrauchen können.«
Es gibt dabei zwei Gruppen von pathologischen Käufern: die Horter und die Wegwerfer. Erstere haben nicht nur das Problem, dass sie unkontrolliert kaufen, sondern auch die Schwierigkeit, dass ihr Zuhause nicht mehr komplett genutzt werden kann, da dort überall das Gekaufte herumliegt. Häufig begeben sie sich aus Scham, jemand könne sie auf den überfüllten Wohnraum ansprechen, in eine soziale Isolation.
Männer kaufen, um ihren Status zu verbessern. Frauen kaufen, weil sie ihren Körper oder ihr Zuhause verbessern möchten.
Anders als das Klischee vermuten lässt, sind allerdings nicht allein Frauen betroffen. Frauen und Männer unterscheiden sich schlicht darin, dass sie verschiedene Güter kaufen. So sind Männer eher technikaffin und glauben mit neusten Gadgets ihren Status zu verbessern, während Frauen hauptsächlich ihren Körper oder ihr Zuhause verbessern möchten, also Kleidung oder Dekorationsartikel kaufen.
Kontrollverlust trotz finanzieller Schwierigkeiten
Die Abhängigen kaufen sich mehr ein Gefühl als ein Produkt. Zwanghafte Käufer erleben oftmals einen Kontrollverlust. Sie sind nicht in der Lage, etwas das ihnen gefällt, nicht zu kaufen. Selbst wenn sie wissen, dass sie in finanziellen Schwierigkeiten stecken, können sie ihren Zwang nicht unterbinden. Wie bei anderen Süchten auch versuchen sich die Betroffenen irgendwie Geld zu beschaffen, auch wenn sie dafür Kredite aufnehmen, die sie nicht zurückzahlen können oder ihre Familienangehörigen bestehlen müssen.
Da Kaufsucht oftmals ein heimliches Verhalten ist, bekommen Angehörige es häufig erst spät mit, die Betroffenen selbst wissen jedoch, dass sie ein Problem haben. Behandeln lässt sich dieses Problem allerdings nur, wenn die Betroffenen bereit sind, sich behandeln zu lassen. Anders als stoffgebundene Süchte oder pathologisches Glückspiel ist in unserer Gesellschaft pathologischem Kaufen nicht mit vollkommener Abstinenz zu begegnen.
»Das Glück liegt in Dir und nicht in den Sachen, die Du kaufst«
Ihren Vortrag beendet die Psychologin mit der Aufforderung an jeden Einzelnen im Publikum, öfter genau zu schauen, was sie sich gekauft haben, und zu hinterfragen weshalb. »Das Glück liegt in Dir und nicht in den Sachen, die Du kaufst«, fasste Tahmassebi zusammen.